In inzwischen zahlreichen Presseerklärungen verwiesen Bundes- und Landespolitiker in den letzten Monaten und Jahren immer wieder auf das Bundesberggesetz (BBergG), das dem Land angeblich wenig Spielraum lasse. Der erforderliche Spielraum ist jedoch durch das BBergG den Ländern ausdrücklich eröffnet worden.
Forderung der BIG Steinweiler:
Wir fordern die Landesregierung auf, zum Schutz der Bürger und deren Hab und Gut umgehend solche Rechtsverordnungen zu erlassen, mit denen Mindestabstände für die Tiefengeothermie und vibroseismische Untersuchungen eingeführt werden.
Die Landtagsabgeordneten werden aufgefordert, über die parlamentarische Schiene auf den Erlass solcher Rechtsverordnungen zu drängen.
1. Was sagt das Bundesberg-Gesetz
Der Vierte Teil des BBergG enthält in den §§ 65 bis 67 Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen. § 68 BBergG regelt die Zuständigkeit zum Erlass solcher Bergverordnungen. § 69 BBergG enthält Regelungen über Zustimmungs- und Einvernehmenserfordernisse. Zum Schutze der Beschäftigten und Dritter vor Gefahren im Betrieb und zur Wahrung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Absatz 2 bezeichneten Rechtsgüter und Belange können nach § 66 BBergG die Länder durch Rechtsverordnung (Bergverordnung) verschiedene Bestimmungen treffen. Der Begriff des „Schutzes Dritter vor Gefahren im Betrieb“ i. S. d. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG umfasst auch Dritte außerhalb des Betriebs (BVerwG, Urteil vom 13.12.1991, 7 C 25/90, Untertage-Erdgasspeicher). Aufgrund § 66 Satz 1 BBergG können daher landesrechtliche Bergverordnungen erlassen werden, welche die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern außenstehender Dritter (Anwohner, Oberflächeneigentümer) bezwecken.
2. Beispiele – Tiefbohrverordnung
Beispiele für existierende landesrechtliche Regelungen von solchen Mindestabständen für andere Fallgestaltungen enthalten die BVOT des Landes Rheinland-Pfalz und die entsprechenden Bergverordnungen weiterer Bundesländer:
- Rohrleitungen, in denen Erdgas mit einem Schwefelwasserstoffgehalt von mehr als 1 Vol.% befördert werden soll, dürfen in Bebauungsgebieten nicht verlegt werden. Bei der Verlegung ist von diesen Gebieten ein Mindestabstand von 200 m, von einzelnen außerhalb dieser Gebiete gelegenen Gebäuden ein Mindestabstand von 50 m einzuhalten (§ 53 Abs. 4 Satz 1 BVOT RLP). Hier werden ganz konkret „Bebauungsgebiete“ und die dort lebenden Menschen geschützt! Durch Landesrecht!
- Nach § 18 Abs. 1 BVOT RLP sind Bohrungen so anzusetzen, dass ihr Abstand von Gebäuden, öffentlichen Verkehrsanlagen und ähnlichen zu schützenden Objekten mindestens das 1,1-fache der Bohrgerüsthöhe beträgt. Für Bohrtürme gibt es folglich Abstandsvorschriften des Landes.
Was für den obertägigen Bereich der Tiefengeothermie geregelt werden kann, kann ohne weiteres auch für den untertägigen Bereich geregelt werden.
Ebenso kann dies bei der Tiefengeothermie daher für die Bohrlandepunkte landesrechtlich dergestalt geregelt werden, dass zwischen jedem Bohrlandepunkt (auf die Erdoberfläche projiziert) und der nächstgelegenen Bebauung ein Mindestabstand des (z. B.) Eineinhalbfachen der Endteufe der jeweiligen Bohrung einzuhalten ist.
Ebenfalls kann durch Landesrecht bestimmt werden, dass bei vibroseismischen Erkundungen (sei es für die Aufsuchung von Erdwärme, sei es für die Aufsuchung von Erdöl) ein Mindestabstand von (z. B.) 250 m zwischen den Anregungspunkten und der nächstgelegenen Bebauung einzuhalten ist.
Auch das Thema „Fracking“ ließe sich auf diesem Weg durch landesrechtliche Bergverordnung beerdigen, weil der Bund bislang keine speziellere bergrechtliche Regelung zum Schutz des Wassers und der Einwohner getroffen hat und gemeinschädliche Auswirkungen bei Fracking nicht auszuschließen sind. Während es wasserrechtlich eines förmlichen Landesgesetzes bedürfte, genügt bergrechtlich eine Rechtsverordnung des Landes: Ein Federstrich und das Thema „Wassergefährdung durch Fracking“ wäre in Rheinland-Pfalz Geschichte.
Die entsprechenden als Rechtsverordnungen (Landesbergverordnungen) auszugestaltenden Regelungen bedürfen keiner Zustimmung des Bundes. Zuständig für den Erlass ist Frau Staatsministerin Lemke.
In jedem Bundesland, so auch in Rheinland-Pfalz, gibt es auf der oben dargestellten Rechtsgrundlage landesrechtliche Rechtsverordnungen, die z. B. auch Mindestabstände vorschreiben, z. B. die Tiefbohrverordnung (BVOT). Nur gibt es dort bislang z. B. für die Tiefengeothermie und für vibroseismische Erkundungen keine entsprechenden Regelungen.
Wenn Frau Lemke behaupten will, dass landesrechtliche Abstandsregelungen zum Schutz der Bürger vor geothermieinduzierten Erdbeben oder vor Rüttelmaßnahmen nicht möglich seien, so mag sie dies ihrem Friseur erzählen. Die Südpfälzer Bürger glauben ihr schon lange nicht mehr.
3. Aufforderung zum sofortigen Handeln
Wir gehen davon aus, dass diese rechtlichen Möglichkeiten der Landesregierung bekannt sind. Die südpfälzischen Abgeordneten, die meist voll Bedauern auf das Bundesrecht verweisen und – je nach Parteizugehörigkeit – darüber jammern, dass die Berliner schwarz-gelbe Koalition das Bergrecht nicht durchgreifend modernisieren will, wurden – sofern sie beim MWKEL nachgefragt haben von diesem – offenbar falsch informiert. Oder aber die oder einzelne Abgeordneten wissen um die landesrechtliche Umsetzbarkeit und wollen solche Landesverordnungen nur deshalb nicht, um den Unternehmen nicht „auf die Zehen zu treten“; dann aber mögen diejenigen sich bitte öffentlich dazu bekennen und sich nicht scheinheilig hinter dem angeblich undurchdringlichen Bundesrecht verstecken.
Um dies mit sofortiger Wirksamkeit umzusetzen, bedarf es weder einer Mediation noch einer Enquete-Kommission. Erforderlich ist lediglich der politische Wille, die Bürger nachhaltig schützen zu wollen. Sollte Frau Lemke hier weiter untätig bleiben wollen, so sollte sie zum Wohle der Bürger von Rheinland-Pfalz umgehend von ihrem Amt zurücktreten.