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Bergrecht: Sicherheitsabstände durch Landesrecht möglich

21.05.2013 | Allgemein

In inzwischen zahlreichen Presseerklärungen verwiesen Bundes- und Landespoliti­ker in den letzten Monaten und Jahren immer wieder auf das Bundesberggesetz (BBergG), das dem Land angeblich wenig Spielraum lasse. Der erforderliche Spiel­raum ist jedoch durch das BBergG den Ländern ausdrücklich eröffnet worden.

 

Forderung der BIG Steinweiler:

Wir fordern die Landesregierung auf, zum Schutz der Bürger und deren Hab und Gut umgehend solche Rechtsverordnungen zu erlassen, mit denen Mindestab­stände für die Tiefengeothermie und vibroseismische Untersuchungen eingeführt werden.

Die Landtagsabgeordneten werden aufgefordert, über die parlamentari­sche Schiene auf den Erlass solcher Rechtsverordnungen zu drängen.

 

1. Was sagt das Bundesberg-Gesetz

Der Vierte Teil des BBergG enthält in den §§ 65 bis 67 Ermächtigungen zum Er­lass von Bergverordnungen. § 68 BBergG regelt die Zuständigkeit zum Erlass sol­cher Bergverordnungen. § 69 BBergG enthält Regelungen über Zustimmungs- und Einvernehmenserfordernisse. Zum Schutze der Beschäftigten und Dritter vor Gefahren im Betrieb und zur Wah­rung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Absatz 2 bezeichneten Rechtsgü­ter und Belange können nach § 66 BBergG die Länder durch Rechtsverordnung (Bergverord­nung) verschiedene Bestimmungen treffen. Der Begriff des „Schutzes Dritter vor Gefahren im Betrieb“ i. S. d. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG umfasst auch Dritte außerhalb des Betriebs (BVerwG, Urteil vom 13.12.1991, 7 C 25/90, Untertage-Erdgasspeicher). Aufgrund § 66 Satz 1 BBergG können daher landesrechtliche Bergverordnungen erlassen werden, welche die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern außenstehender Dritter (Anwohner, Oberflä­chenei­gentümer) bezwecken.

 

2.  Beispiele – Tiefbohrverordnung

Beispiele für existierende landesrechtliche Regelungen von solchen Mindestab­stän­den für andere Fallgestaltungen enthalten die BVOT des Landes Rheinland-Pfalz und die entsprechenden Bergverordnungen weiterer Bundesländer:

  • Rohrleitungen, in denen Erdgas mit einem Schwefelwasserstoffgehalt von mehr als 1 Vol.% befördert werden soll, dürfen in Bebauungsgebieten nicht verlegt werden. Bei der Verlegung ist von diesen Gebieten ein Mindestab­stand von 200 m, von einzelnen außerhalb dieser Gebiete gelegenen Ge­bäuden ein Mindestabstand von 50 m einzuhalten (§ 53 Abs. 4 Satz 1 BVOT RLP). Hier werden ganz konkret „Bebauungsgebiete“ und die dort lebenden Menschen geschützt! Durch Landesrecht!
  • Nach § 18 Abs. 1 BVOT RLP sind Bohrungen so anzusetzen, dass ihr Ab­stand von Gebäuden, öffentlichen Verkehrsanlagen und ähnlichen zu schützenden Objekten mindestens das 1,1-fache der Bohrgerüsthöhe be­trägt. Für Bohrtürme gibt es folglich Abstandsvorschriften des Landes.

 

Was für den obertägigen Bereich der Tiefengeothermie geregelt werden kann, kann ohne weiteres auch für den untertägigen Be­reich geregelt werden.

 

Ebenso kann dies bei der Tiefengeothermie daher für die Bohrlandepunkte lan­des­rechtlich dergestalt geregelt werden, dass zwischen jedem Bohrlandepunkt (auf die Erdoberfläche projiziert) und der nächstgelegenen Bebauung ein Mindest­ab­stand des (z. B.) Eineinhalbfachen der Endteufe der jeweiligen Bohrung einzu­hal­ten ist.

Ebenfalls kann durch Landesrecht bestimmt werden, dass bei vibroseismi­schen Erkundungen (sei es für die Aufsuchung von Erdwärme, sei es für die Aufsuchung von Erdöl) ein Mindestabstand von (z. B.) 250 m zwischen den Anre­gungspunkten und der nächstgelegenen Bebauung einzuhalten ist.

Auch das Thema „Fracking“ ließe sich auf diesem Weg durch landesrechtliche Bergverordnung beerdigen, weil der Bund bislang keine speziellere bergrechtliche Regelung zum Schutz des Wassers und der Einwohner getroffen hat und gemeinschädliche Auswirkungen bei Fracking nicht auszuschließen sind. Während es wasserrechtlich eines förmlichen Landesgesetzes bedürfte, genügt bergrechtlich eine Rechtsverordnung des Landes: Ein Federstrich und das Thema „Wassergefährdung durch Fracking“ wäre in Rheinland-Pfalz Geschichte.

Die entsprechenden als Rechtsverordnungen (Landesbergverordnungen) auszu­gestaltenden Regelungen be­dürfen keiner Zustimmung des Bundes. Zuständig für den Erlass ist Frau Staatsministerin Lemke.

In jedem Bundesland, so auch in Rheinland-Pfalz, gibt es auf der oben dargestell­ten Rechtsgrundlage landesrechtliche Rechtsverordnungen, die z. B. auch Min­destab­stände vorschreiben, z. B. die Tiefbohrverordnung (BVOT). Nur gibt es dort bis­lang z. B. für die Tiefengeothermie und für vibroseismische Erkun­dungen keine entsprechenden Regelungen.

Wenn Frau Lemke behaupten will, dass landesrechtliche Abstandsregelungen zum Schutz der Bürger vor geothermieinduzierten Erdbeben oder vor Rüttelmaßnahmen nicht möglich seien, so mag sie dies ihrem Friseur erzählen. Die Südpfälzer Bürger glauben ihr schon lange nicht mehr.

 

3.  Aufforderung zum sofortigen Handeln

Wir gehen davon aus, dass diese rechtlichen Möglichkeiten der Landesregierung bekannt sind. Die südpfälzischen Abgeordneten, die meist voll Bedauern auf das Bun­desrecht verweisen und – je nach Parteizugehörigkeit – darüber jammern, dass die Berliner schwarz-gelbe Koalition das Bergrecht nicht durchgreifend moderni­sieren will, wurden – sofern sie beim MWKEL nachgefragt haben von diesem – of­fenbar falsch informiert. Oder aber die oder einzelne Abgeordneten wissen um die landesrechtliche Umsetzbarkeit und wollen solche Landesverordnungen nur des­halb nicht, um den Unternehmen nicht „auf die Zehen zu treten“; dann aber mögen diejenigen sich bitte öffentlich dazu bekennen und sich nicht scheinheilig hinter dem angeblich undurchdringli­chen Bundesrecht verstecken.

 

Um dies mit sofortiger Wirksamkeit umzusetzen, bedarf es weder einer Me­diation noch einer Enquete-Kommission. Erforderlich ist lediglich der politische Wille, die Bürger nach­haltig schützen zu wollen. Sollte Frau Lemke hier weiter untätig bleiben wollen, so sollte sie zum Wohle der Bürger von Rheinland-Pfalz umgehend von ihrem Amt zurücktreten.