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Experten nehmen Monster-Erdbeben in Kauf

28.04.2010 | Allgemein

Am 26.11.2009 fand in Stuttgart eine Expertenanhörung des Umweltministeriums Baden-Württemberg statt, deren Ergebnisse erst kürzlich im Internet veröffentlicht wurden. Auch das Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz war dort vertreten. Die für uns im wahrsten Sinne des Wortes erschütternden Kernaussagen der Experten und der Diskussionsrunde lauten wie folgt:

 

Prof. Dr. Ralph Watzel (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg, Freiburg):

  • Geothermieanlagen können Erdbeben von unbekannter Größe auslösen.
  • Erdbeben können durch die Bohrphase, die Stimulationsphase und durch den Dauerbetrieb ausgelöst werden.
  • Kleinere und mittlere Schäden sind von den Bürgern hinzunehmen.

 

Dr. Nicolas Deichmann (Schweizerischer Erdbebendienst, ETH Zürich):

  • Induzierte Erdbeben sind heute keine Seltenheit.
  • Induzierte Beben können oberflächennah, außerhalb vom Grundgebirge und auch nur durch geringe Einwirkungen erzeugt werden.
  • Aus physikalischer Sicht sind „induzierte“ Beben das gleiche wie „getriggerte“ Beben.
  • Die grundlegenden Prozesse kann man inzwischen weitgehend erklären, jedoch fehlen im Einzelfall notwendige Kenntnisse, um im Vorfeld eines Geothermieprojektes eine zuverlässige quantitative Risikoabschätzung durchführen zu können.
  • Die Technologie ist noch alles andere als ausgereift. Jedes neue Projekt ist auch heute noch ein Pilotprojekt.

 

Aus der Diskussion der Expertenrunde:

  • Gebäudeschäden können je nach Bausubstanz, Tiefenlage des Bebens und Baugrundbeschaffenheit bereits bei geringen Magnituden eintreten.
  • Geothermiekraftwerke weisen immer noch einen großen innovativen Anteil und damit ein entsprechendes Potential projektbegleitender Forschung und Entwicklung auf. Es kann aber nicht abgewartet werden, bis alle Forschungsergebnisse vorliegen.
  • Die durch Kraftwerksprojekte der tiefen Geothermie verursachten Erdbeben haben sich bisher überwiegend im Magnitudenbereich unter 3 bewegt. Damit dürften kaum Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit von Gebäuden verursacht werden bzw. Schäden in einem niedrigen Schadensniveau verbleiben.
  • Grundsätzlich ist das seismische Risiko schwer zu beurteilen, solange noch keine induzierten Ereignisse aufgetreten sind.
  • Induzierte Seismizität ist insbesondere in den Regionen besonders relevant, in denen bereits eine natürliche Erdbebentätigkeit vorhanden ist (ausgewiesene Erdbebenzonen).
  • Große Magnituden lassen sich nicht ausschließen.
  • Kleinere und mittlere Gebäudeschäden können „im üblichen Umfang“ toleriert werden.

 

Hier kann das Ergebnisprotokoll heruntergeladen werden.

 

Wir fassen zusammen:
Geothermieanlagen können in jeder Projektphase Erdbeben von unbekannter Größe auslösen. Hierbei können auch große Magnituden nicht ausgeschlossen werden. „Kleinere und mittlere Gebäudeschäden im üblichen Umfang“ werden hierbei von den Experten aus Verwaltung und Wirtschaft nicht als Hindernis für die tiefe Geothermie angesehen. Obwohl die Technik noch alles andere als ausgereift ist, will man nicht abwarten, bis alle Forschungsergebnisse vorliegen.

 

Wir fragen uns:
Warum will man nicht abwarten? Ist die Geldgier zu groß?

 

Nicht nur in Baden-Württemberg, sondern offenbar auch in Rheinland-Pfalz haben Unternehmerinteressen Vorrang vor der Sicherheit und dem Eigentum der Bürger. Wie der heutigen Ausgabe der RHEINPFALZ (Pfälzer Tageblatt – Ausgabe Rheinschiene Nr. 98 vom Mittwoch, den 28. April 2010, Seite 17) zu entnehmen ist, wird nach Angaben der Landesregierung mit dem Abschlussbericht der Kommission „nicht vor Herbst“ gerechnet. Dazu meinte Wirtschaftsstaatssekretär Schweitzer, er hoffe sehr, dass das Fazit noch vorher gezogen werden könne, damit die Hinweise der Experten – als Auflagen formuliert – vom Betreiber in Landau noch vor dem Winter umgesetzt werden könnten. „Denn im Winter muss das Kraftwerk auf Hochtouren laufen, weil es da richtig Gewinn machen kann“, so Schweitzer.

 

Ach, wirklich? Die Alternative, dass das endgültige Ergebnis der Expertenkommission in Rheinland-Pfalz auch dahingehend lauten könnte, dass die tiefe Geothermie derzeit noch als zu riskant eingeschätzt werde, Auflagen deshalb nicht ausreichen und weitere Genehmigungen daher derzeit nicht erteilt werden sollten, wird von der Landesregierung offenbar nicht einmal als denkmöglich erwogen oder gar berücksichtigt. Die Genehmigung für den regulären Dauerbetrieb z. B. in Landau ist offensichtlich bereits eine beschlossene Sache. Die Landesregierung hat hier in aller Deutlichkeit formuliert, was für sie im Vordergrund steht: Gewinnmaximierung der Unternehmen. Die Interessen der Bürger sind – milde ausgedrückt – nur von untergeordneter Bedeutung. Schade.