Die Vorgeschichte
Evonik plant in Steinweiler die Errichtung eines Geothermie-Kraftwerks, mit dem ausschließlich Strom erzeugt werden soll. Hierzu hat Evonik New Energies GmbH mit Schreiben vom 28. August 2009 bei der SGD Süd in Neustadt einen Antrag gestellt: „Errichtung eines Erdwärmekraftwerks Kandel I am Standort Steinweiler – Vereinfachte Raumordnerische Prüfung gem. §18 LPlG mit integriertem Zielabweichungsverfahren“.
Dabei werden die Träger öffentlicher Belange angehört, u. a. auch der Gemeinderat in Steinweiler, der nach Vorberatung am 15.09.2009 im Bauausschuss seine Stellungnahme am 28. Januar 2010 in nichtöffentlicher Sitzung abgegeben hat – nach derzeitiger Sachlage lehnt er ein Kraftwerk in Steinweiler ab.
Das Ergebnis des Antragsverfahrens bei der SGD Süd sollte Anfang März 2010 abgeschlossen werden. Parallel hierzu wurde durch Evonik NE beim Landesamt für Bergbau und Geologie eine Bohrerlaubnis nach Bergrecht am Standort Steinweiler beantragt, dieses Genehmigungsverfahren sieht keine Beteiligung der Bürger oder der Gemeinde vor.
BIG Steinweiler
Aufgerüttelt sowohl durch die Evonik NE-Informationsveranstaltung – Bürgerversammlung am 14. Januar 2010 als auch durch die Gemeinderatssitzung, in der das Thema Geothermie nicht im öffentlichen Teil behandelt wurde, fand sich ein kleiner Kreis von Bürgern zusammen, die die Gründung einer Bürgerinitiative in die Wege leiteten. Diese wurde am 4. Februar 2010 im Schützenhaus gegründet – am Gründungstag traten bereits 24 Mitglieder bei.
Der 1. Vorsitzende der BIG Steinweiler Walter Ecker und der Schriftführer im Vorstand, Werner Forkel erhielten am 15.02.2010 anlässlich einer Besprechung mit Verbandsbürgermeister Herrn Poss erstmals Akteneinsicht in die der Verbandsgemeindeverwaltung Kandel vorliegenden Unterlagen.
Am Donnerstag, den 25.02.2010 haben wir bei einem weiteren Termin mit dem Landrat des Kreises Germersheim, Herrn Dr. Brechtel und Vertretern der Kreisverwaltung unsere Bedenken vorgetragen. Dr. Brechtel hat die genehmigungsrechtliche Lage aus Sicht der Kreisverwaltung erläutert, wobei er besonders den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund stellte und hier die Ergebnisse der Expertenkommission des Umweltministeriums zum Erdbeben Landau als entscheidend für weitere Genehmigungen in Zuständigkeit der Kreisverwaltung ansah.
Geothermie
Unter dem Oberbegriff Geothermie werden 2 Arten unterschieden – zum einen die oberflächennahe Geothermie, vorwiegend eingesetzt zur Beheizung von Gebäuden. Mittels Erdwärmesonden (Bohrungen bis 400 m Tiefe) oder Erdwärmekollektoren wird die Wärmeenergie gesammelt und mittels Wärmepumpen auf eine für die Gebäudeheizung erforderliche Temperatur gebracht.
Die Tiefengeothermie nutzt hingegen die höheren Temperaturen von Thermalwasser-vorkommen in 3000 – 5000 m Tiefe, die in Deutschland bis zu 160°C erreichen können. Das Thermalwasser wird mittels leistungsstarker Pumpen durch eine oder mehrere Förderbohrungen an die Erdoberfläche gebracht, wo es seine Wärmeenergie über Wärmetauscher an ein organisches Medium abgibt, typisch ISO-Pentan wegen seiner niedrigen Siedetemperatur von etwa 28°C.
Damit wird im sogenannten ORC-Verfahren eine Turbine angetrieben, die über einen gekoppelten Generator elektrischen Strom erzeugt und ins öffentliche Netz eingespeist. Das abgekühlte Thermalwasser wird dann über eine sogenannte Reinjektionsbohrung zurück in die Tiefe gepresst.
Gefahren der Tiefengeothermie
Die Förderung großer Mengen Thermalwassers (Steinweiler bis 135 l/sek. entsprechend 11664 cbm/Tag) und die anschließende Rückverpressung könne, wie am Beispiel Landau ersichtlich, Erdbeben bis zur Magnitude 2,7 am 15.08. und 2,4 am 14.09.2009 auslösen, die Stimulation einer Probebohrung für ein Geothermiekraftwerk in Insheim erzeugte Erdstöße am 08.05.2009 bis zur Magnitude 2,1 (in Landau wurden nur 70 l Thermalwasser pro Sekunde gefördert!).
Auswirkungen
Neben der ständigen Erdbebengefahr stellt die aus unserer Sicht beträchtliche Lärmentwicklung durch den Betrieb der Pumpen und Lüfter eine weitere nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Wohnqualität in Steinweiler dar. Der Grundbesitz in Steinweiler wird durch den Bau des Kraftwerks in Sicht unserer Neubaugebiete weniger wert sein. Wir müssen mit Abschlägen bis hin zur Unverkäuflichkeit bei Grundstücken oder Häusern rechnen. Dies gilt auch für die Gemeinde, deren Bauland zukünftig schwer verkäuflich sein wird. Wer will denn schon in unmittelbarer Nähe zu einem Geothermiekraftwerk mit all seinen Risiken ein Haus kaufen oder bauen?
Aber auch Risse an Häusern, Absenkungen, nicht mehr zu öffnende Fenster, schleifende Türen sind zu befürchten durch die beim Betrieb des Kraftwerks verursachten Erdbeben oder, in abgeschwächter Form „Seismische Ereignisse“.
Welcher Schaden nun durch den Wertverlust entsteht zeigt die folgende einfache Abschätzung: Setzt man bei etwa 500 Häusern eine Wertverlust von 30 % bei einem durchschnittlichen Wert von 200.000 € an, dann summiert sich der Verlust auf bis zu 30 Millionen Euro.
Schadensregulierung
Bei Schäden an Häusern ist nach Bergrecht der Verursacher der Erdbeben haftbar.Die Beweislast liegt bis dato beim Hausbesitzer, erst ab einer Boden-Geschwindigkeit von 5 mm/sek. (nach DIN 4150) soll sich die Beweislast umkehren. Überwacht werden die seismischen Ereignisse im Umkreis der Geothermie-Anlage zukünftig durch ein vom Eigner zu betreibendes Messnetz. Inwiefern diese Daten öffentlich zugänglich sind, ist ungeklärt. Im Schadensfall muss sich der Geschädigte alleine mit der Haftpflicht- /Bergschadensversicherung des Betreibers auseinandersetzen.Wie schwierig dies ist zeigt die Abwicklung nach den Erdstößen in Landau. Auch die vereinbarten Versicherungssummen beruhigen nicht: in Schaidt denkt der Betreiber mit 25 Mio. Euro ausreichend versichert zu sein, dabei werden heute bereits PKW mit bis zu 100 Mio. im Schadensfall abgesichert.
Eine angemessene Sicherheitsleistung des Kraftwerkbetreibers zur Schadensregulierung wäre aus Sicht der Bürgerintiative erforderlich.
Nachhaltigkeit
Dies muss bei einer derart durch die Politik mit Vorschusslorbeeren überhäuften Technologie geprüft werden.
Um bescheidene 6.5 MW Strom zu erzeugen, muss aus der Tiefe des Oberrheingrabens eine thermische Leistung von ~ 60 MW gefördert und dann über eine riesige Batterie von Luftkondensatoren (Luftkühler) in die Atmosphäre abgegeben werden. Man heizt also die Erdatmosphäre mit > 50 MW auf – damit wird leider auch die Klimakatastrophe nachhaltig beschleunigt.
Die Energiebilanz sieht ebenso düster aus: Zum Betrieb der Pumpen des Kraftwerks werden 2,3 Millionen Watt benötigt, als Netto-Leistung des Kraftwerks zur Einspeisung ins Stromnetz bleiben lediglich 4.2 MW übrig. Das Geothermiekraftwerk erreicht lediglich einen Wirkungsgrad von 7 % – zum Vergleich: ein modernes Kohlekraftwerk liegt bei 46 % – 50 %, moderne Solarzellen erreichen über 22 % Wirkungsgrad. Wenn im Sommer die Temperaturen angenehme 30° C, in manchen Jahren auch 40° C erreichen, fällt der Wirkungsgrad des geplanten Geothermie-Kraftwerks weiter: mit der heißen Umgebungsluft kann nicht mehr ausreichend gekühlt werden und die Brutto-Leistung des Kraftwerks sinkt von geplanten 6,5 MW auf ~ 3,3 MW ab.
Bleibt die Frage, wie viel Strom dann noch ins öffentliche Netz eingespeist wird.
Einspeise-Millionen
Die Evonik NE als zukünftiger Kraftwerksbetreiber erhält nach dem EEG-Gesetz pro erzeugter Brutto-Kilowatt-Stunde eine Vergütung von 0,20 €.
Diese wird gezahlt für die brutto erzeugten 6,5 MW, nicht nur für die tatsächlich eingespeisten 4,2 MW. Dies ergibt eine rechnerische Einspeisevergütung von 10,4 Mio. Euro (Basis: 8000 Betriebsstunden im Jahr). Kauft man diesen Strom an der Leipziger Strombörse, so zahlt man derzeit rund 0,04 Euro pro kWh, die vom Geothermiekraftwerk eingespeiste Jahresleistung hätte einen Wert von 1,344 Mio. Euro.
Und: die 0,20 € pro kWh werden dank EEG dem Betreiber auf 20 Jahre garantiert, damit kassiert die Evonik NE über 200 Millionen Euro aus dem Betrieb des Kraftwerks.
Der Bürger bezahlt diese Subventions-Millionen über seine Stromrechnung! Der Politik muss die Frage gestellt werden, warum nun trotz der Subventionsmillionen im 3-stelligen Bereich kein Geld für eine Sicherheitsleistung oder Entschädigungsfonds vorhanden sein soll?
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass den einmalig hohen Erlösen für den Betreiber des Geothermiekraftwerks nur
- Lärmbelästigung
- gesundheitliche Einschränkungen
- Erdbebengefahr
- potentielle Schäden am Eigentum
- Wertverlust
- keine Arbeitsplätze
- weiter steigende Strompreise
- Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche
- keine Gewerbesteuerzahlung
- keine Konzessionsabgabe
für die Gemeinde Steinweiler gegenüberstehen.
Daher unser Nein zum Geothermie-Kraftwerk am Standort Steinweiler.